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Analyse von kosmischem Staub bringt Wissenschaftler einen Schritt näher an Magnon-Geräte und Quantencomputer

  • Internationale Forscher suchen nach Möglichkeiten, Informationen über magnetische Wellen statt über Elektronen zu transportieren
  • Wissenschaftler haben jetzt eine kreisförmige Wellenbewegung in Skyrmionen entdeckt, die uns diese neuen Technologien näher bringt
  • Anhand von Mangansilizium (MnSi), ursprünglich aus kosmischem Staub, wurde die besondere magnetische Konfiguration in Skyrmionen untersucht

4. März, Grenoble, Frankreich Neue Forschungsergebnisse, die in der Zeitschrift Science veröffentlicht wurden, bringen uns einen Schritt näher an Magnon-Geräte und Quantencomputer. Eine Neutronenanalyse hat das Verhalten magnetischer Wellen in einer fortschrittlichen Materialklasse aufgezeigt und eröffnet Wissenschaftlern die Perspektive auf eine Zukunft, in der Geräte nicht mehr durch elektronische Ströme aufgeheizt werden.

Im Anregungszustand können sich magnetische Systeme wie Teilchen verhalten, die Elektronen gleichen und als „Magnon-Quasiteilchen“ oder einfacher „Magnonen“ bekannt sind. Magnonen entstehen aus den Spinwellen in bestimmten Materialien, die sich ausgehend von einer Störung ausbreiten, ohne dass dabei Materie übertragen wird – vergleichbar mit einer La-Ola-Welle in einem Fußballstadion. Sie können Informationen wie elektrische Ströme übertragen, allerdings mit geringerem Energieaufwand.

Die heutigen elektronischen Geräte verschwenden riesige Mengen an Energie. Sie erhitzen sich, wenn die Elektronen, die die Informationen transportieren, auf ihrem Weg durch die Leitungen auf Widerstand stoßen. Betreiber großer Rechenzentren, wie die von großen Technologieunternehmen, geben jährlich Milliarden von US-Dollar für Computer-Kühlsysteme aus – mitunter macht dies bis zu 40 % ihres Energiebedarfs aus. Wissenschaftler auf der ganzen Welt versuchen derzeit zu verstehen, wie das Verhalten von magnetischen Spinwellen eine alternative Zukunft für die Datenübertragung eröffnen könnte.

Um dieses Potenzial in vollem Umfang zu nutzen, müssen Forscher die Eigenschaften und das Verhalten der Wellen, wie ihre Wellenlänge oder Richtung, kontrollieren. Neue Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass die Wellen in einer bestimmten magnetischen Konfiguration, den so genannten Skyrmionen, nicht nur elektronenähnlich sind, sondern auch die Bewegung von Elektronen als Reaktion auf ein Magnetfeld genau nachahmen. So kann ihre Bewegung genauer vorhergesagt und für zukünftige Technologien, wie neuartige Informationsspeicherung und Quantencomputer, genutzt werden.

Um diese neuartige kreisförmige Spinwellen-Bewegung um Skyrmionen zu enthüllen, die einen großen Schritt für unser Verständnis von Magnonen darstellt, nutzten Forscher die weltweit stärksten Neutronenstrahlen für ihre Experimente. Mit fundamentalen Teilchen mit einem eigenen magnetischen Moment ist die Neutronenstreuung die einzige Technik, die auf die Magnetfelder reagieren kann – wie eine Kompassnadel, die den Nordpol anpeilt. Mit der weltweit größten Neutronenquelle wurden die entscheidenden Experimente am Institut Laue-Langevin (ILL) in Grenoble, Frankreich, durchgeführt.

Lesen Sie 'Magnificent magnons', eine frühere Studie, in der die Magnonen eines Skyrmion-Gitters eine deutliche Polarisationsabhängigkeit aufweisen, hier verursacht durch die Dzyaloshinskii-Moriya-Wechselwirkung, eine Art Spin-Orbit-Kopplung.

In herkömmlichen ferromagnetischen Materialien zeigen die Momente alle in dieselbe Richtung, so dass sich die magnetischen Wellen im Allgemeinen in einer geraden Linie ausbreiten. In einer relativ neuen Materialklasse ist die magnetische Konfiguration jedoch ganz anders und birgt immenses Potenzial: Mangansilizium (MnSi) ist ein solches Material, bei dem die magnetischen Momente eine enge, wirbelartige Anordnung bilden, die Skyrmionen, die sich entlang von Röhren wie eine Schachtel ungekochter Spaghetti ausbreiten. Mangansilizium, das im kosmischen Staub eines Kometen entdeckt wurde, ist der Ursprung für die Untersuchung von Skyrmionen. Bei dieser Untersuchung wurde die Bewegung von Spinwellen um die magnetischen „Röhren“ beobachtet und die Ähnlichkeit mit Elektronen festgestellt, die sich in einer Kreisbewegung senkrecht zum Skyrmion bewegen.

Links: In einem magnetischen Skyrmion richten sich die Spins wirbelartig um ein äußeres Feld aus. Hier wird das Feld in Richtung k angelegt. Credits : T. Weber
Rechts: Die Dispersionsrelation besteht aus verschiedenen Schichten, die energetisch eng beieinander liegen, den Landau-Niveaus. Die Form der Schichten hängt davon ab, ob die Richtung des Impulstransfers in der Skyrmion-Ebene (h) oder entlang der Skyrmion-Achse (k) liegt. Credits : Y. Le Goc, T. Bruyere, and T. Weber | Created with Voreen

Die Forscher sind dem revolutionären Potenzial von Magnonen nun einen Schritt näher gekommen. Konkrete Geräte oder Technologien, die diese Phänomene nutzen, liegen jedoch noch in weiter Ferne, und es gibt noch deutliche Einschränkungen: Zum Beispiel sind extrem niedrige Temperaturen erforderlich, um das beschriebene Verhalten zu beobachten. Angesichts der zunehmenden Bedeutung elektronischer Geräte und den steigenden Anforderungen an die Datenspeicherung auf unserem Planeten sind Lösungen zur Kontrolle und Umsetzung der Quantenphysik jedoch wichtig für unsere Zukunft.

Tobias Weber, Physiker am Institut Laue-Langevin (ILL) und Hauptautor der Studie, sagt::

„Die Anwendung dieser grundlegenden Erkenntnisse in zukünftigen Technologien stellt uns vor große Herausforderungen, doch unsere Beobachtungen zur Skyrmion-Dynamik sind von großer Bedeutung auf diesem Gebiet. Das ThALES-Instrument am ILL ist das einzige Instrument, mit dem wir diese Entdeckung machen konnten, da es das leistungsstärkste Spektrometer seiner Art weltweit ist. Durch die Polarisation der Neutronen sind wir außerdem in der Lage, genau zu erkennen, welche Ergebnisse auf den magnetischen Beitrag zurückzuführen sind.“

„Die nächsten Schritte auf dieser Reise werden den anspruchsvollen Materialien gelten, in denen wir die Skyrmionstruktur beobachten. Die Untersuchung des magnetischen Verhaltens in MnSi und entsprechenden Materialien erfordert extrem niedrige Temperaturen (ca. -243 Grad Celsius), so dass wir noch weit davon entfernt sind, diese Erkenntnisse in Technologien bei Raumtemperatur anzuwenden.“

 

Die Forschungsergebnisse entstanden in internationaler Zusammenarbeit zwischen dem Institut Laue-Langevin in Frankreich, der Schweizer Spallationsquelle SINQ am Paul-Scherrer-Institut, der britischen Neutronen- und Myonenquelle ISIS, dem amerikanischen Los Alamos National Laboratory, dem Karlsruher Institut für Technologie und der Forschungsneutronenquelle Heinz-Maier-Leibnitz (FRM II) an der Technischen Universität München (TUM).


Re.: “Topological magnon band structure of emergent Landau levels in a skyrmion lattice", by Tobias Weber et al. ,Science (2022).
The article can be accessed at https://doi.org/10.1126/science.abe4441

ILL instruments : ThALES, das niederenergetische Dreiachsenspektrometer am ILL, wurde für diese Forschung verwendet. Es wird aufgrund seines weltweit führenden hohen Neutronenflusses und der Möglichkeit, mit extremen Probenumgebungen zu experimentieren, zur Messung magnetischer Anregungen eingesetzt.

Contacts: Tobias Weber, Paul Steffens, Martin Böhm