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Neutronen helfen E. coli-Oberflächeninteraktionen im Detail zu analysieren

•    Bakterielle Infektionen können tödlich sein – sechs Millionen Menschen sterben jährlich an Blutvergiftung aufgrund von Infektionen (Sepsis) – und Bakterien werden zunehmend resistent gegenüber Antibiotika
•    Die neutronenbasierte Analyse komplexer Strukturen auf der Oberfläche von E.coli-Bakterien hilft zu verstehen, wie die Bakterien mit ihrer Umgebung interagieren
•    Diese Forschung kann neue Wege für die Entwicklung zukünftiger antimikrobieller Wirkstoffe eröffnen

 

Forscher haben Neutronen verwendet, um die komplexen äußeren Oberflächen von Escherichia coli (E.coli) in großer Detailgenauigkeit zu untersuchen. Sie konnten dabei aufdecken, wie Bakterien mit ihrer Umgebung interagieren. E.coli kann tödlich sein und zu lebensbedrohlicher Sepsis führen, wenn es unbehandelt bleibt. Sechs Millionen Todesfälle jährlich sind auf Sepsis zurückzuführen.  Um E.coli-Infektionen effektiv zu behandeln, ist es wichtig, das Verhalten dieser Bakterien unter externen Einflüssen zu verstehen.

Dieses Forschungsprojekt, eine Zusammenarbeit zwischen dem Institut Laue-Langevin (ILL) und dem Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, konzentriert sich auf Lipopolysaccharide (LPS) – Kohlenhydrate auf der Oberfläche von E.coli, die bestimmen, wie die Bakterien mit ihrer Umgebung interagieren. Diese Moleküle bedecken etwa 75 % der Oberfläche aller gram-negativen Bakterien, welche für ein breites Spektrum von Infektionen verantwortlich sind, und sie spielen eine wichtige Rolle dabei, wie Bakterien mit dem menschlichen Immunsystem interagieren.  

Das Forscherteam verwendete Neutronen-Reflektometrie zur Analyse der Struktur der äußeren Oberfläche von LPS und testete die Reaktionen unter verschiedene Bedingungen – unter anderem unter Abwesenheit positiv geladener Calcium-Ionen, welche die Struktur von Bakterien beeinflusst, sodass sie anfällig gegenüber antimikrobiellen Substanzen werden. 

Bei dem am ILL auf dem D17-Instrument, einem der beiden öffentlichen Reflektometer des Instituts, durchgeführten Experiment untersuchten Wissenschaftler die biologischen Oberflächen in einer realistischen Umgebung, um präzisere Schlussfolgerungen in Bezug auf die dort stattfindenden komplexen Mechanismen ziehen zu können. Dieses Verständnis der Interaktionen auf der Bakterienoberfläche unter verschiedenen Bedingungen wird den Forschern dabei helfen, neuartige Ansätze für zukünftige antimikrobielle Wirkstoffe zu entwickeln. 

Die Studie berücksichtigt die wahre Komplexität und molekulare Bedeutung von LPS, ohne die komplexen Formen der O-seitigen Ketten zu vereinfachen oder die Kernkohlenhydrate zu vernachlässigen. Dieses aktuelle Forschungsprojekt erlaubt Wissenschaftlern ein genaueres Verständnis der strukturellen Einzelheiten von äußeren Bakterienoberflächen. Desweiteren untersucht es die Bakterien in ihrer natürlichen Umgebung anstatt unter isolierten Laborbedingungen, so dass ein detailliertes Verständnis der Interaktionen von Medikamenten mit Bakterienkolonien erreicht wird. Die in dieser Untersuchung beschriebenen detaillierten Wechselwirkungen ebnen den Weg zu einer realistischeren Perspektive und zu einem besseren Verständnis der Oberflächeninteraktionen. Dies bedeutet, dass Wissenschaftler besser vorhersagen können, wie Bakterien in bestimmten Umgebungen auf Medikamente reagieren werden, was dann seinerseits die Entwicklung wirksamerer Pharmazeutika ermöglicht. Dies könnte eines Tages zur Entwicklung neuer antimikrobieller Behandlungen führen, einschließlich der Behandlung von Bakterien, die zunehmend gegenüber einer Vielzahl von Antibiotika resistent sind. 

Giovanna Fragneto, Leiter der Large Scale Structures Group (LSS) und der Soft Matter Science and Support Group (SMSS) am Institut Laue-Langevin (ILL) und Mitverfasser der Studie, sagt dazu: „Diese Studie ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Neutronenforschung uns einzigartige Werkzeuge an die Hand gibt, um unser Verständnis in vielen Bereichen der Biowissenschaften zu verbessern. Mithilfe von Neutronen konnten wir uns ein klares Bild davon machen, wie Bakterien in Zukunft untersucht werden sollten.“

Emanuel Schneck, Mitglied der Biomaterialien-Abteilung im Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung und Mitverfasser der Studie, fügt hinzu: „Diese Forschungsarbeiten mit Neutronen haben uns geholfen, unser Verständnis der Struktur von äußeren Bakterienoberflächen weiter zu verbessern. Außerdem haben sie mehr über die Art und Weise aufgedeckt, wie Bakterien sich in ihrer echten Umwelt verhalten, insbesondere in Kolonien. Dies macht dieses Projekt äußerst interessant, möglicherweise sogar für die langfristige Arzneimittelentwicklung.“


Instrument: das D17-Instrument, ein Neutronen-Reflektometer am ILL


ILL Contacts: Dr G. Fragneto


Re.: Conformation of Single and Interacting Lipopolysaccharide Surfaces Bearing O-Side Chains, Ignacio Rodriguez-Loureiro, Victoria M. Latza, Giovanna Fragneto, and Emanuel Scheck