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Einblicke in magnetische Bakterien könnte die Navigation medizinischer Nanoroboter unterstützen

  • Magnetotaktische Bakterien sind einzigartige Wasserlebewesen, die magnetische Nanopartikel als internen Kompass zur Navigation verwenden.
  • Die Konfiguration der magnetischen Kette in diesen Bakterien wurde mit Hilfe von Neutronen untersucht, um herauszufinden, wie das Magnetfeld ihr Verhalten beeinflusst.
  • Ein Verständnis des Kettenverhaltens könnte bakterielle Anwendungen unterstützen, etwa als Motoren von biologischen Nanorobotern, die kleine chirurgische Eingriffe durchführen oder Medikamente an bestimmten Orten im Körper bereitstellen.

Wissenschaftler untersuchen bereits seit einiger Zeit magnetotaktische Bakterien (MTB) – Wasserorganismen mit der Fähigkeit, sich in Magnetfeldern auszurichten. Dieses ungewöhnliche Verhalten macht sie zu einem interessanten Forschungsobjekt, um ein besseres Verständnis von Biomagnetismus zu erhalten und solche Bakterien potenziell in zukünftigen Technologien wie medizinischen Nanorobotern einzusetzen. Forscher haben nun mit Hilfe von Neutronen die magnetischen Eigenschaften untersucht, indem sie die spezialisierten Komponenten der daran beteiligten Zellen analysierten.

Die Navigationsfähigkeiten von MTBs basieren auf Magnetosomen – Membranstrukturen mit magnetischen Nanopartikeln, welche die Bakterien aus ihrer Umgebung mineralisieren. Die Magnetosomen ordnen sich in einer Kette an, die wie ein Magnetkompass funktioniert, so dass sich ein Bakterium anhand des Magnetfelds der Erde auf das Flussbett hinbewegen kann, welches es bevorzugt bewohnt. Diese ungewöhnlichen Nanopartikel wurden jetzt mit Hilfe von Neutronenstrahlen untersucht, um die zugrundeliegenden Mechanismen aufzudecken, welche Anordnung und Geometrie der Ketten bestimmen.

Ein internationales Gemeinschaftsprojekt von Forschern der Universität des Baskenlandes, der Universität Kantabrien und des Institut Laue Langevin (ILL) haben die genaue strukturelle Konfiguration der Magnetosomen im MTB-Stamm Magnetospirillum gryphiswaldense aufgedeckt. Dabei untersuchten sie mittels Neutronenkleinwinkelstreuung (Small Angle Neutron Scattering, SANS) eine Suspension von MTB, um die magnetische Mikrostruktur der Organismen in einer Wasserlösung detailliert betrachten zu können. Zu diesem Zweck wurde das D33-Instrument gewählt, dessen polarisierter Neutronenstrahl den Forschern ermöglichte, sowohl die strukturellen Komponenten als auch die magnetische Anordnung zu analysieren. Magnetische Nanopartikel sind von entscheidender Bedeutung für viele verschiedene Anwendungsgebiete, welche von biomedizinischer Diagnostik über Datenspeicherung bis hin zu hyperthermischen Krebsbehandlungen reichen. Es ist jedoch schwierig, die magnetischen Strukturen innerhalb und zwischen Nanopartikeln direkt zu betrachten. Polarisierte, Neutronenspin-aufgelöste SANS ist eines der wenigen Werkzeuge zur Untersuchung von Nanopartikeln auf der relevanten Längenskala unterhalb von einem Mikrometer.

Dank SANS konnten Wissenschaftler neue Einblicke in die Struktur der Magnetosomkette gewinnen. Von dieser war bereits bekannt, dass sie gebogen und nicht gerade ist, aber mit der Neutronenuntersuchung konnte genauer ermittelt werden, was hier geschieht. Die Neutronenuntersuchung deckte auf, dass die Krümmungen die Richtung des magnetischen Gesamtmoments nicht beeinflussen, obwohl einzelne Nanopartikeln eine Abweichung des magnetischen Moments von 20 Grad von der Kettenachse aufweisen. Wenn man diese Abweichung berücksichtigt, erklärt sich die spiralförmige Form der Ketten als energetisch günstigste Konfiguration für die magnetischen Nanopartikel aufgrund der magnetischen dipolaren Wechselwirkung und des aktiven Anordnungsmechanismus der bakteriellen Proteine.

Die in Nanoscale veröffentlichten Ergebnisse führen zu einem besseren Verständnis des Kettenverhaltens und seiner Auswirkungen auf mögliche MTB-Anwendungen. Dies könnte die Entwicklung biologischer Nanoroboter unterstützen, die Medikamente im Körper bereitstellen oder dort kleine chirurgische Eingriffe vornehme. Die Magnetosomkette der Bakterien könnte dabei der Richtungssteuerung dienen. In diesem Fall wäre es wichtig, die genaue Konfiguration der Kette zu kennen, um eine korrekte Navigation im Körper zu gewährleisten. Nanoroboter würden minimal invasive medizinische Verfahren ermöglichen, bei denen Patienten die Einschnitte der gegenwärtigen chirurgischen Methoden erspart bleiben.

Dirk Honecker, Instrumentenwissenschaftler am ILL und Mitverfasser der Studie, sagt dazu: „Die Neutronenstreuung ist ein hervorragendes Werkzeug, um diese Magnetosomen und auch andere Materialien im Detail zu untersuchen. Mit unserem Neutronenkleinwinkelinstrument D33 und dessen polarisiertem Strahl können wir aufgrund des magnetischen Moments der Neutronen sowohl die magnetischen Wechselwirkungen als auch die nanoskalige Struktur analysieren. Mit diesen neuen Informationen sind wir der Nutzung dieser erstaunlichen und natürlich entstandenen Nanopartikel um einen Schritt näher gekommen. Medizinische Anwendungsgebiete werden dabei besonders interessant sein – der winzige Kompass in den Bakterien könnte zur Navigation im menschlichen Körper eingesetzt werden, so dass Nanoroboter ihre Arbeit in bestimmten Körperteilen oder Organen durchführen können.“

 


Re.: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5703329/


Instrument:  In diesem Projekt wurde das Neutronenkleinwinkeldiffraktometer D33 mit großem Streuvektorbereich des ILL verwendet. Nähere Informationen zum D33 finden Sie hier:https://www.ill.eu/d33/


Contact:  Dirk Honecker, Institut Laue-Langevin


Ref.: Configuration of the magnetosome chain: a natural magnetic nanoarchitecture, Inaki Orue, Lourdes Marcano, Philipp Bender, Ana Garcia-Prieto, Sergio Valencia, Mohamad-Assaad Mawass, David Gil-Carton, Diego Alba Venero, Dirk Honecker, Alfredo Garcia-Arribas, Luis Fernandez Barquin, Alicia Muela, Maria L. Fernandez-Gubieda [doi: 10.1039/c7nr08493e]