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Britische Wissenschaftler stellen die erste magnetische Seife der Welt her

23.01.2012

Ein Team der Universität Bristol hat durch Lösen von Eisen in einem flüssigen Tensid eine magnetisch steuerbare Seife hergestellt. Diese Entdeckung könnte zur Herstellung von Reinigungsmitteln verwendet werden, die nach der Benutzung entfernt und zur Beseitigung von Ölverschmutzungen auf See eingesetzt werden können.

Wissenschaftler von der Universität Bristol haben eine aus eisenreichen, in Wasser gelösten Salzen bestehende Seife entwickelt, die auf Magnetfelder in Lösungen reagiert. Mit Hilfe von Neutronen wurde am Institut Laue-Langevin (ILL) nachgewiesen, dass die magnetischen Eigenschaften der Seife von winzigen eisenreichen Klumpen in der wässrigen Lösung herrühren. Diese Eigenschaft in einer voll wirksamen Seife könnte Bedenken gegen den Einsatz von Seifen zur Beseitigung von Ölverschmutzungen zerstreuen und industrielle Reinigungsprodukte revolutionieren.
Wissenschaftler suchen seit Langem nach Wegen, Seifen (oder Tenside, wie der in der Industrie verwendete Name ist) in einer Lösung zu steuern, um ihre Fähigkeit zu verbessern, Öle in Wasser aufzulösen und sie dann vom System zu entfernen. Das Team an der Universität Bristol arbeitete bereits früher an Seifen, die auf Licht, Kohlendioxid oder Änderungen des pH-Werts, der Temperatur oder des Drucks reagieren. Ihr jetziger, in der Zeitschrift Angewandte Chemie veröffentlichter Durchbruch ist die erste Seife weltweit, die auf ein Magnetfeld reagiert.

Eine Zeit lang hielt man ionische flüssige Tenside, meist bestehend aus Wasser mit bestimmten Übergangsmetallkomplexen (Schwermetalle wie Eisen, gebunden an Halogene wie Brom oder Chlor), für möglicherweise steuerbar durch Magnete. Aber stets stand dem die Annahme entgegen, dass ihre metallischen Zentren innerhalb der Lösung zu isoliert seien, was die langreichweitige Wechselwirkung verhindert, die für eine magnetische Aktivität notwendig ist.
Das Team in Bristol unter der Leitung von Professor Julian Eastoe stellte seine magnetische Seife durch Lösung von Eisen in einer Reihe von trägen Tensidmaterialien, bestehend aus Chlor- und Bromionen, her, sehr ähnlich zu denen in üblichen Mundwässern oder Weichspülern. Durch Zusatz von Eisen entstehen metallische Zentren in den Seifenpartikeln.
Zur Untersuchung ihrer Eigenschaften schob das Team einen Magneten in ein Testrohr mit der neuen Seife, die unter einer organischen Lösung mit geringerer Dichte lag. Nach Einführung des Magneten überwand die eisenreiche Seife sowohl die Schwerkraft als auch die Oberflächenspannung zwischen Wasser und Öl, schwebte frei durch die organische Lösung, erreichte die Quelle der magnetischen Energie und bewies damit ihre magnetischen Eigenschaften.
 Nachdem das Tensid entwickelt und seine magnetische Eigenschaft bewiesen war, nahm es das Team von Professor Eastoe mit ans Institut Laue Langevin. Dort, am weltweit führenden Zentrum für Neutronenforschung und Heimat der stärksten Neutronenquelle, sollte der wissenschaftliche Hintergrund der bemerkenswerten Eigenschaften untersucht werden.
Es ist bekannt, dass Tenside in Wasser winzige Klümpchen bilden (Mizellen genannte Teilchen). Wissenschaftler am ILL bestätigten durch Kleinwinkelneutronenstreuung (SANS – Small Angle Neutron Scattering), dass der Klumpen des eisenreichen Tensids für die magnetischen Eigenschaften verantwortlich war.

Dr. Isabelle Grillo, verantwortlich für die Chemielaboratorien am ILL: „Die Teilchen des Tensids in der Lösung sind klein und daher mit Licht kaum zu erkennen Mit SANS andererseits sind sie aber leicht zu entdecken Mit dieser Technik können wir Struktur und Verhalten jeglicher Materialien  in Größenordnungen zwischen wenigen Nanometern und bis zu zig Mikrometer untersuchen.“

Die möglichen Anwendungen magnetischer Tenside sind vielfältig. Ihre Empfindlichkeit auf externe Stimuli ermöglicht durch einen einfachen magnetischen Ein-Aus-Schalter die Änderung einer Reihe von Eigenschaften wie elektrische Leitfähigkeit, Schmelzpunkt, Größe und Gestalt von Anlagerungen und das leichte Lösungsvermögen in Wasser. Bisher können diese Faktoren, die für die effiziente Anwendung von Seifen in einer Vielzahl industrieller Umgebungen wichtig sind, nur durch Hinzufügen einer elektrischen Ladung oder einer Änderung des pH-Werts, der Temperatur oder des Drucks im System gesteuert werden. All diese Änderungen gestalten die Zusammensetzung des Systems irreversibel um; deren Beseitigung kostet Geld.
Seine magnetischen Eigenschaften vereinfachen das Zusammentreiben und Entfernen des Materials aus einem System, wenn es einmal ausgebracht worden ist Dies legt künftige Anwendungen besonders bei Umweltsäuberungsaktionen und Wasserbehandlungen nahe. Wissenschaftliche Experimente, die eine genaue Kontrolle von Flüssigkeitströpfchen erfordern, können durch Zugabe dieses Tensids und mit einem Magnetfeld ebenfalls vereinfacht werden.

Professor Julian Eastoe von der Universität Bristol: „Während die meisten Magnete aus Metallen bestehen, sind diese flüssigen Tenside von einem rein wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen äußerst ungewöhnlich und machen sie so zu einer besonders interessanten Entdeckung. Aus einem kommerziellen Blickwinkel betrachtet, sind diese Flüssigkeiten für Haushaltsprodukte zwar noch nicht reif. Trotzdem kann der Nachweis, dass man magnetische Seifen entwickeln kann, künftig zur Nutzung desselben Phänomens in eher kommerziell interessanten Flüssigkeiten für eine Reihe von Anwendungen von Wasseraufbereitung bis zu industriellen Reinigungsprodukten führen.“
„Jedes System, das nur als Antwort auf einen externen, seine Zusammensetzung nicht beeinflussenden Stimulus reagiert, ist ein bedeutender Durchbruch, weil man Produkte herstellen kann, die nur reagieren, wenn sie sollen. Ferner erweitert die Möglichkeit, das Tensid nach dem Einsatz wieder entfernen zu können, die denkbaren Anwendungen in umweltsensiblen Bereichen wie zur Reinigung von Ölverschmutzung, bei der in der Vergangenheit Bedenken erhoben wurden“, bemerkt der nicht an dieser Forschung beteiligte Industriechemiker Peter Dowding.


Re.:Angewandte Chemie DOI: 10.1002/anie.201108010

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Anmerkungen für Redaktionen

  1. Über das Institut Laue-Langevin (ILL)Das Institut Laue-Langevin ist ein internationales Forschungszentrum im französischen Grenoble. Seit den ersten Experimenten im Jahr 1972 ist es führend auf dem Gebiet der Neutronenstreuungsforschung und -technologie. Das ILL betreibt eine der stärksten Neutronenquellen der Welt, von der Neutronenstrahlen zu 40 hochkomplexen Instrumenten geleitet werden, die ständig modernisiert und verbessert werden. Jährlich besuchen 1.200 Wissenschaftler aus mehr als 40 Ländern das ILL, um Forschungsarbeiten auf den Gebieten Physik der kondensierten Materie, (grüne) Chemie, Biologie, Kern- und Teilchenphysik sowie Materialwissenschaft durchzuführen. Großbritannien ist zusammen mit Deutschland und Frankreich Partner und Hauptgeldgeber des ILL.
  2. Die Universität Bristol rangiert stets unter den führenden Instituten der höheren Bildung in Großbritannien, entstanden durch ihre intensiven Forschungsaktivitäten und einen internationalen Ruf für Qualität und Innovation. Sie hat 17.000 Studierende aus über 100 Ländern sowie mehr als 5.500 Mitarbeitende. Hinsichtlich der Anmeldungen für Studienanfänger ist Bristol eine der begehrtesten Universitäten im Land.

Die Universität wurde 1876 gegründet und erhielt 1909 ihre Royal Charter. Als erste Universität in England ließ sie Frauen gleichberechtigt mit Männern zu. Sie ist heute ein bedeutender Mitspieler auf der Weltbühne sowie eine treibende Kraft im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben von Bristol und dem Südwesten Englands.
Für das Forschungsvorhaben wurden Einrichtungen der Universität Bristol und der Industrie, dem Krüss Surface Science Centre (KSSC – Krüss-Zentrum für Oberflächenforschung) genutzt. Die Krüss GmbH ist ein deutscher Hersteller von Geräten für die wissenschaftliche Oberflächenanalyse. Diese Einrichtung ist im chemischen Institut der Universität Bristol untergebracht und bietet freien Zugang zu modernster Ausrüstung sowie Training und Support für Forscher an der Universität.